Anforderungen an ein kommunales Tax Compliance Management-System - 9. Juni 2021

09.06.2021

Welche organisatorischen und steuerrechtlichen Anforderungen beim Aufbau eines kommunalen Tax Compliance Management-Systems (Tax-CMS) zu beachten sind, haben Studierende der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg (HVF) im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Kämmerei der Stadt Bietigheim-Bissingen untersucht. Im Rahmen des von den Professorinnen Dr. Gabi Meissner und Dr. Tanja Leibold angebotenen Wahlpflichtfachs fanden mehrere Online-Konferenzen statt, an denen der Kämmerer der Großen Kreisstadt Bietigheim-Bissingen, Jens Dörr, der Sachgebietsleiter Haushalt, Frank Kapischke, und der für das Thema Stadt als Steuerschuldner zuständige Mitarbeiter Mehmet Bilbay teilnahmen.

Als Lehrbeauftragter und ehemaliger Studierender ist Jens Dörr der HVF eng verbunden und sehr daran interessiert, Studierende frühzeitig für die aktuellen Fragestellungen der Praxis zu sensibilisieren.

Ab dem 1.Januar 2023 werden durch die Einführung von § 2b UStG (Umsatzsteuergesetz) erhöhte steuerrechtliche Anforderungen an die Kommunen gestellt, da Leistungen umsatzsteuerpflichtig werden, die es bisher nicht waren. Wie viele Kommunen begegnet Bietigheim-Bissingen den mit den gesteigerten steuerrechtlichen Pflichten einhergehenden letztlich auch steuerstrafrechtlichen Risiken mit dem Aufbau eines Tax Compliance Management-Systems. Neben der Umsatzsteuer stehen dabei darüber hinaus für Kommunen relevante Fragestellungen im Fokus, wie beispielsweise das Vorliegen eines zur Körperschaftsteuerpflicht führenden Betriebs gewerblicher Art.

Vergleichbar zur Privatwirtschaft setzt die öffentliche Hand zunehmend auf ein präventives Risikomanagement. Dies gilt sowohl für die Kommunen als auch für das Land Baden-Württemberg. Die Landesministerien und die ihnen nachgeordneten Bereiche bauen derzeit ebenfalls Tax Compliance Management-Systeme auf. Regierungsdirektorin Claudia Gassner, Leiterin der Stabsstelle Tax Compliance und Steuern im Innenministerium Baden-Württemberg und langjährige Dozentin an der HVF, nahm vor diesem Hintergrund an einer der Online-Konferenzen teil und diskutierte mit den Studierenden.

Bei den umsatzsteuerlichen Fragestellungen gingen die Studierenden in ihren Vorträgen und schriftlichen Ausarbeitungen u.a. auf die Feuerwehr ein und setzten sich detailliert damit auseinander, welche Leistungen durch die Neuregelung des § 2b UStG künftig umsatzsteuerpflichtig werden. Kritisch in den Fokus zu nehmen sind dabei z.B. der Getränkeverkauf an die Feuerwehrleute nach Einsätzen oder Wäscherei-Tätigkeiten im Auftrag für Dritte. Aus der Praxis nahmen dazu Frank Wallesch, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Bietigheim-Bissingen, und Jana Schäfer, Studierende an der HVF und ehemalige Kassiererin Feuerwehr Gernsbach, teil. Als weiteres für die Kommunen überaus relevantes Thema untersuchten die Studierenden die umsatzsteuerrechtlichen Fragestellungen im Bereich des Friedhofs- und Bestattungswesens, indem sie sich auch hier mit den typischerweise von Kommunen erbrachten Leistungen auseinandersetzten. Als relevant arbeiteten die Studierenden dabei u.a. heraus, welche Tätigkeiten durch die Friedhofssatzung als öffentlich-rechtlich, da dem Friedhofsträger vorbehalten, gelten und zeigten damit verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten auf.

Für die Akzeptanz und die erfolgreiche Umsetzung eines Tax Compliance Managements ist es nach den Untersuchungen der Studierenden von entscheidender Bedeutung, dass die Verwaltungsspitze die Tax-Compliance Kultur vorgibt und vorlebt („tone from the top“). Dass dies in der Praxis bereits vielfach der Fall ist, stellten die Studierenden anhand empirischer Untersuchungen zum aktuellen Umsetzungsstand von Tax Compliance Management Systemen in Kommunen dar. Zentral sei zudem eine Benennung von Verantwortlichen in den jeweiligen Ämtern der Kommune sowie ein mit Nachweisen untermauertes Schulungs- und Fortbildungssystem. So schlugen die Studierenden einen „Steuerführerschein“ vor, in welchem die MitarbeiterInnen der Kommune ihre Kenntnisse ggf. auch im Rahmen eines mit EDV-Unterstützung durchgeführten Test nachweisen können. Als in der Praxis sehr hilfreich wurden zudem Steuerrichtlinien und Checklisten, z.B. für die Beschaffung im EU-Ausland herausgearbeitet. Untersucht wurden von den Studierenden darüber hinaus die Vor- und Nachteile einer zentralen Beschaffung. Unter dem Aspekt der korrekten Anwendung umsatzsteuerlicher Regelungen und möglicher Nutzung von Mengenrabatten sahen die Studierenden Vorteile bei einem zentralen Beschaffungssystem. Als Nachteile einer zentralen Beschaffung wurden längere Verwaltungswege von der Meldung bis zur Beschaffung sowie ein erhöhter Personalbedarf herausgearbeitet. Eine Kompromisslösung sahen die Studierenden darin, eine Teilzentralisierung für bestimmte Beschaffungsvorgänge einzuführen und für die übrigen dezentralen Beschaffungsvorgänge Checklisten sowie einen zentralen Ansprechpartner für steuerliche Fragestellungen einzuführen. Positiver Nebeneffekt eines Tax Compliance Management Systems sei abschließend, dass bestehende Prozesse innerhalb der Kommune transparent gemacht und im Zuge eines modernen Verwaltungsmanagements laufend optimiert werden können.

Prof. Dr. Tanja Leibold

Prof. Dr. Gabi Meissner

Online-Konferenz für das Kooperationsprojekt Bietigheim-Bissingen