Gastaufenthalt von Dr. Igor Cojocaru aus Moldau an der HVF

12.11.2019

Dr. Igor Cojocaru ist Leiter des Information Society Development Institute (ISDI/IDSI) der Academy of Public Administration of Moldova in Chisinau, Republik Moldau. Er lehrt dort in den Bereichen IT-Projektmanagement, e-Government, e-Transformation und Informationssicherheit. Dr. Cojocaru koordiniert zudem etliche nationale Projekte und ist in mehrere internationale Projekte mit Partnern aus der Ukraine sowie mit der EU und der UN eingebunden.

Vom 10. bis 21. Oktober 2019 war Dr. Cojocaru bereits zum zweiten Mal an der HVF zu Gast. Finanziert wurde sein Aufenthalt zu einem großen Teil aus dem Hospitationsprogramm des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) zur Stärkung der Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Ländern.

Grundlegendes Ziel des Hospitationsprogramms in Baden-Württemberg ist es, den Austausch von Fachpersonal aus dem Bereich der Hochschulverwaltung aus den EU-13-Staaten und den Partnerländern der Donauraumstrategie mit Baden-Württemberg zu fördern und hierdurch einen Beitrag zur europäischen Zusammenarbeit und dem Ausbau von Netzwerken zu leisten. Das Programm soll zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Forschungsverwaltung im Europäischen Forschungsraum beitragen. Ein weiteres Ziel ist, die Wissensbasis in Forschung und Innovation durch gegenseitiges Lernen zu vertiefen und die Beteiligung an exzellenten EU-Forschungs- und Innovationsaktivitäten auszuweiten.

Von seinen Forschungsinteressen und aktuellen Projekten berichtet Dr. Cojocaru im folgenden Interview, das in der 42. Ausgabe des Hochschulmagazins Dialog in ungekürzter Variante erscheinen wird.

 

1) Dr. Cojocaru, warum haben Sie sich für die HVF Ludwigsburg als Gasthochschule für Ihren Auslandsaufenthalt entschieden?

Nach meiner Mitarbeit im Projekt “Enterprise Ressource Planning for Public Administration”, das gemeinsam mit der HVF Ludwigsburg (Anm. d. Red.: Prof. Dr. Robert Müller-Török, Prof.in Dr. Birgit Schenk) realisiert worden war, war mein Ziel, unsere Kooperation weiter zu vertiefen sowie unser Kooperationsnetzwerk auf weitere Hochschulen in Baden-Württemberg auszuweiten. Denn die deutschen Hochschulen, die HVF eingeschlossen, haben deutlich mehr Erfahrung bezüglich der Teilnahme an den verschiedenen EU-Programmen. Daher können sie wertvolle Einblicke in die Abläufe, die Rahmenbedingungen und die Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen von EU-Programmen bieten, die wiederum unsere eigene Einrichtung bereichern könnten. Letztendlich könnten wir unsere gemeinschaftliche Beteiligung an Forschungs- und Innovationsaktivitäten der EU erhöhen, und zwar durch gegenseitiges Lernen voneinander und gemeinsames Netzwerken.

 

2) In Ihrem Heimatland, der Republik Moldau, findet derzeit eine Reihe an politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Reformen statt, die auch den Bildungs- und den öffentlichen Sektor direkt beeinflussen. Können Sie die Reforminhalte und deren Auswirkungen kurz zusammenfassen, vor allem im Hinblick auf den öffentlichen Sektor?

Im Zuge des Regierungswechsels im Juni 2019 veranlasste die Republik Moldau entschlossen die Umsetzung zentraler Reformen, die sich gegen den Verfall demokratischer Standards und der Rechtsstaatlichkeit richteten, um den Bürgern so zu ermöglichen, vollumfänglich vom EU-Moldau- Assoziierungsabkommen zu profitieren.

Die neue Regierung, die im Juni 2019 an die Macht gekommen war, bekannte sich zu einer verstärkten und konsistenten Umsetzung des Assoziierungsabkommens und der darin verankerten Freihandelszone der EU mit der Republik Moldau, Georgien und der Ukraine (DCFTA) unter vollständiger Berücksichtigung der Kernprinzipien des Abkommens. Die Regierung führte einige Programme ein, die sich auf die drängendsten Reformen konzentrierten und unternahm bedeutende Schritte, insbesondere bezüglich des Wahlsystems, im Kampf gegen Korruption und zur Entpolitisierung staatlicher Institutionen.

Die zweite Wahlrunde der Kommunalwahlen am 3. November wird ein “wichtiger Test” sein, der aufzeigen wird, inwieweit die internationalen Bestimmungen innerhalb der Republik Moldau anerkannt werden. Die Reformen des Rechtssystems und der Generalstaatsanwaltschaft sind entscheidende Themen, die die Schaffung eines stärkeren Wirtschaftsumfeldes ermöglichen und Investitionen fördern werden.

Gemäß der Nationalen Entwicklungsstrategie Moldau 2030 ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler und internationaler Ebene das zentrale Instrument, um das Einkommensniveau zu heben und Armut und ihre Risiken zu verringern. Diese Verbesserung soll auch mithilfe der Intelligenten Spezialisierung (Smart Specialisation) des Landes erfolgen, die von der Europäischen Kommission unterstützt wird. In diesem Zusammenhang hat das Ministerium für Bildung, Kultur und Forschung der Republik Moldau in Zusammenarbeit mit dem Joint Research Center (JRC) der Europäischen Kommission im Juni dieses Jahres die ersten vier Entrepreneurial Discovery Workshops (EDW) organisiert. Sie sind Teil des Prozesses zur Bestimmung von Bereichen im Sinne der Smart Specialisation der Republik Moldau. Die auf diese Weise vorläufig ermittelten Bereiche sind Energie, Informations- und Kommunikationstechnologien, Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung sowie Biomedizin und Biopharmazeutika.

Die e-Transformation der Regierung der Republik Moldau, die darauf abzielt, die Regierung bis 2020 durch kluge Investitionen in IT und deren massive Verwendung im öffentlichen Sektor transparenter, leistungsfähiger und zugänglicher zu gestalten, ist ein weiteres erfolgreiches Vorhaben, das immensen Einfluss auf G2G- und G2C-Interaktionen hat (Anm. d. Red.: „Government to Government“- und „Government to Citizen“-Interaktionen). Eine auf modernen Technologien basierende Umgebung wurde gestaltet und eingeführt, um so die zügige Entwicklung und die effiziente Anwendung elektronischer Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und Unternehmen zu erleichtern. Mithilfe dieser Umgebung wurden innerhalb der letzten sieben Jahre mehr als 90 Dienstleistungen geschaffen, so dass die Gesamtzahl der heute verfügbaren elektronischen Dienstleistungen bei 165 liegt. Zudem wurde eine Open-Government-Plattform eingerichtet, in der eine Open-Data-Plattform mit etwa 995 regelmäßig aktualisierten Datensätzen enthalten ist. Basierend auf diesen allgemein zugänglichen Daten wurden etwa 30 Anwendungen aus der Zivilgesellschaft heraus entwickelt.

 

3) Woran arbeiten Sie derzeit und wo sehen Sie das Potential für die künftige Zusammenarbeit mit der Hochschule Ludwigsburg? Gibt es schon konkrete Ideen für gemeinsame Projekte?

Was aktuelle Projekte betrifft, sind die HVF und das Information Society Development Institute der Republik Moldau Mitorganisatoren der internationalen Konferenz “Central and Eastern European e|Dem und e|Gov Days (ceee|Gov Days)“, die jährlich in Budapest abgehalten wird. Sie wendet sich gleichermaßen an Praktiker und Entscheidungsträger aus dem öffentlichen Sektor, Fachkräfte aus der Industrie wie auch an die akademische Welt.

Während meines Besuchs an der HVF hielt ich vor Studenten der Vertiefungsrichtung “Angewandtes e-Government” eine ganztägige Vorlesung zum Thema “e-Government in der Republik Moldau”. In Fragen zukünftiger Zusammenarbeit prüfen wir deshalb aktuell sowohl Optionen bezüglich des neuen Bachelor-Studiengangs “Digital Public Administration” als auch Möglichkeiten, gemeinsam an ERASMUS-Projekten teilzunehmen, um die Ausbildung von öffentlich Bediensteten im Donauraum zu verbessern.

 

Das vollständige Interview auf Englisch finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Hospitationsprogramm des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) zur Stärkung der Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Ländern erhalten Sie hier.

Dr. Igor Cojocaru, Leiter des Information Society Development Institute der Academy of Public Administration of Moldova (ISDI/IDSI)