Schriftformerfordernis als Hürde bei Digitalisierung - 10. Februar 2022

10.02.2022

Für Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz der Nichtförmlichkeit, soweit nicht eine Rechtsvorschrift
anderes vorsieht. Je nach Kontext erfüllt die Schriftform verschiedene Funktionen: etwa den Nachweis der Identität oder Echtheit. Anforderungen an die Schriftform im Verwaltungsrecht sind nicht zwingend mit der im Privatrecht erforderlichen Unterschrift gleichzusetzen. Folge der fehlenden Legaldefinition ist laut Ott, dass dann, wenn "sich die jeweiligen Anforderungen an die Schriftform aus dem Regelungskontext nicht abschließend bestimmen lassen, im Zweifel die höhere Anforderung zugrunde gelegt wird."

Eine sichere Identifizierung gilt vor allem als unverzichtbar, wenn es um Anträge auf staatliche Transferleistungen geht. Durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) sind auch die Jobcenter verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis 2022 digital über Portale bereitzustellen.

Ott hat mit Kurzprüfung und Stichwortsuche das SGB II auf Schriftformerfordernisse hin untersucht. Ergebnis: Sie bestehen nur aufseiten der Sozialleistungsträger, etwa bei Rechtsfolgenbelehrungen oder Unterrichtungen der Sozialleistungsempfänger. Dagegen ist die Schriftform wohl nicht nötig, um bestimmte Leistungen zu beantragen und Daten dazu zu übermitteln. Für weitere Digitalisierungsbemühungen im SGB II empfiehlt Ott eine weiterführende Schriftformanalyse angrenzender Rechtsvorschriften.

Fazit: Bei Auswahl eines geeigneten Identifizierungsmittels zum Beantragen von Verwaltungsleistungen
sind die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik beschriebenen Vertrauensniveaus als Entscheidungsgrundlage geeignet. Verwaltungsleistungen im SGB II müssten anhand der im Falle einer technischen Kompromittierung auftretenden Schadenswirkung bewertet werden. Je nach den notwendigen Vertrauensniveaus wären auch andere Identifizierungsverfahren denkbar; etwa
eine vorgegebene Benutzername-Passwort-Kombination.

© Staatsanzeiger, Freitag 21. Januar 2022